Sweeney Todd

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Published

02.03.2008 00:42

USA (2007) Regie: Tim Burton Darsteller: Johnny Depp (Sweeney Todd), Helena Bonham Carter (Mrs. Lovett), Ed Sanders (Toby), Alan Rickman (Richter Turpin), Timothy Spall (Büttel Bamford), Jamie Campbell Bower (Anthony Hope), Sacha Baron Cohen (Signor Adolfo Pirelli), Jayne Wisener (Johanna), Laura Michelle Kelly (Lucy) und viele andere Pasteten-Zutaten Offizielle Homepage

Ich habe, so mich mein Gedächtnis nicht total im Stich lässt, noch nie in einem Film gesessen, den so viele zahlende Gäste noch vor dem Ende der Vorstellung verlassen haben. Dies waren wohl entweder Fans von Johnny Depp, die Tim Burton nicht kennen, oder arme Opfer der Werbung, die nichtsahnend ein morbides Musical besuchten, dessen Gesangseinlagen nicht einmal synchronisiert, sondern nur untertitelt wurden (aus meiner Sicht ein klares Plus). Ich war mir all dessen jedoch bewusst und trotz meiner Abneigung gegen Musicals besuchte ich den Film, hatte ich doch gute Erfahrung mit dem ähnlich gelagerten Corpse Bride gemacht (in dem die beiden Hauptdarsteller schon einmal ihren Gesang trainieren durften).

Sweeney Todd, Barbier und Verbannter, kehrt in das London des 19. Jahrhunderts zurück, um Rache an dem Richter Turpin zu üben, der ihm einst Frau, Kind und Freiheit nahm. Er wandelt seine alte Wohnung in der Fleet Street, oberhalb des Pastetenladens einer Mrs. Lovett, in ein Rasierstudio um und versucht nun, den Richter zu einem Besuch auf seinem Barbierstuhl zu bewegen. Da eine Rache sorgsam geplant sein muss, übt er vorher an anderen Londoner Bürgern den Schnitt an der Kehle, und Mrs. Lovett, die vernarrt in Sweeney Todd ist, verarbeitet die Opfer in ihren Pasteten. Die Chance für den Racheakt scheint schließlich gekommen, als der junge Anthony, der mit Sweeney auf einem Schiff nach London kam, die Tochter von Todd (Johanna) aus den Fängen von Turpin befreit…

So weit die Geschichte dieser Musicalverfilmung, die sich überraschenderweise an dem klassischen Aufbau eines Dramas orientiert, den ich in der Schule ausreichend lange pauken musste: Zu Beginn (Akt I) lernen wir alle Personen kennen (zum Teil in Rückblenden) und erfahren von der geplanten Rache. Danach kommt es zum ersten Höhepunkt (Akt II), dem Auftritt von Ali G./Borat als italienischen Barbier, der leider über Sweeney Todds Identität Bescheid weiß und als Erpresser das erste Rasierklingen-Opfer des Films wird. Schließlich steigert sich die Handlung mit Anthonys geplanter Befreiungsaktion von Johanna und Turpins Besuch in Sweeneys Barbiersalon, nur damit eine unglückliche Kreuzung dieser Stränge zu einem vorläufigen Ende aller Pläne führt (Akt III).

Aufgeschoben ist jedoch nicht aufgehoben, und so lässt uns der Film eine zeitlang die erfolgreiche Warenkette Barbiersalon-Pastetenladen und die Träume von Mrs. Lovett von einer gemeinsamen Zukunft mit Sweeney Todd beobachten (Akt IV). Doch alle Handlungsstränge führen zwangsläufig auf das tragische Ende hin, der klassischen Katastrophe, die wie bei Romeo und Julia oder Hamlet nur wenige Hauptcharaktere überleben werden (Akt V).

Diese im modernen Film nicht gerade übliche strenge Aufteilung schiebe ich jetzt einfach einmal der Herkunft als Musical zu. Wie schon bei den 5 Filmfreunden bemerkt sind die Lieder von Sweeney Todd meist nur gesungene Dialoge, es kommen nur wenige Refrains im Film vor und nicht immer ist klar, warum manche Passagen gesprochen (deutsch) und andere gesungen (englisch) werden - zum Teil sogar parallel. Mir persönlich haben vor allem die Lieder gefallen, in denen sich zwei Monologe über dasselbe Thema zu einem Lied vereinigen, wobei gerade dann mein Gehör versagte und ich mich durch die Untertitel lesen musste, was teilweise ganz schön verwirrend war.

Ebenso der strengen Orientierung an der Musical-Vorlage schulde ich die Tatsache, dass dem Film der Tim-Burton-typische skurile Humor fast vollkommen abgeht. Einzig die starre Maske von Johnny Depp in den bunten Traumwelten von Mrs. Lovett bricht etwas aus der ernsthaften Stimmung aus; selbst die Mordszenen sind so plastisch und explizit gefilmt, dass einem jedwedes Lachen im Halse stecken bleibt. Das war bei Sleepy Hollow noch ganz anders. Zudem ist trotz der Oscar-Auszeichnung nicht alles stimmig im Szenenbild des Films: Wo bitteschön geht der Schacht hinter Sweeneys Barbierstuhl entlang, wenn direkt darunter die Pastetenstube ist? Und welche Treppe nach oben sieht Sweeney zu Beginn in Lovetts Wohnung?

Ansonsten bekommt man den inzwischen routinierten Stil von Tim Burton zu Gesicht: Düster-dreckige viktorianische Kulissen, eine extrem farblose Optik (nur in Traumsequenzen oder Rückblenden kommt Farbe ins Spiel) und extrem viel Kunstblut sowie durchgängig skurile Kleidung und Frisuren der Hauptcharaktere kennzeichnen den Film. Was man eben so erwartet - nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Fazit: Sweeney Todd ist ein Musical in bester Tim-Burton-Tradition mit seinen Stammspielern Johnny Depp / Helena Bonham Carter und der halben Harry-Potter-Riege. Die morbide Handlung mit sehr expliziten Morden muss man jedoch ertragen können, damit einem der Film gefällt.