Die Untersuchung

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Published

13.08.2008 21:41

von Stanislaw Lem, erschienen bei Suhrkamp, Phantastische Bibliothek, ISBN 978-3-518-36935-7, 8€

Dass Stanislaw Lem Krimis nicht ganz fern liegen, hat er mit dem futuristischen Der Schnupfen bewiesen, einem meiner Lieblingsbücher von ihm. Die Untersuchung, 17 Jahre vorher entstanden, ist dagegen auf den ersten Blick ein klassischer Kriminalroman mit allen dazugehörigen Elemeten, der auch noch in England, dem Mutterland des Genres, spielt.

Dort ermittelt der Scotland-Yard-Inspektor Gregory in einem Fall von verschwundenen Toten, die scheinbar aus den Leichenhallen entwendet wurden. Die Untersuchung kommt nur schleppend voran, es gibt so gut wie keine Indizien und der hinzugezogene Experte Sciss verliert sich in statistischen Auswertungen, die auf keine Täter hindeuten. Gregory weigert sich, an die wundersame Auferstehung Toter zu glauben und verdächtigt zunehmend den exzentrischen Sciss. Doch wie jede seiner Spuren verläuft sich auch diese im undurchdringlichen Nebel des englischen Winters.

Krimi hin oder her, seine Wurzeln kann Lem auch in diesem Buch nicht verleugnen. Inspektor Gregory ist ein rational denkender und handelnder Mensch, dessen Weltanschauung auf eine harte Probe gestellt wird. Er geht lieber jeder noch so extremen wissenschaftlichen Idee nach, die ihm Sciss präsentiert, als eine Sekunde an ein Wunder zu glauben, wie er das Umherwandeln von Toten bezeichnet. Er ist belesen auf den Gebieten der Medizin und Psychologie und geht wie bei der initalen Aufnahme des Tatortes sehr geordnet bei der Untersuchung seiner Fälle vor.

Doch trotz der Tatsache, dass der Leser Gregory das ganze Buch lang nicht von der Seite weicht, erfährt man nur selten, was er denkt und fühlt. Die Finten und Fallen, die er Sciss stellt, kommen so erst spät ans Tageslicht, und einige Aktionen bleiben fragwürdig. So geht er ab dem Punkt, in dem alle Spuren versandet sind, sehr unkoordiniert vor und behauptet gegenüber seinem Vorgesetzten sogar, sich von seiner Intuition leiten zu lassen. Lem spielt an einigen Stellen auch zusammenhangslos Details aus dem Privatleben des Ermittlers ein, die zwar in den Kontext des klassischen Krimis passen, aber innerhalb des Buches nur das ziellose Umherirren des Protagonisten betonen.

Ungewohnt ist schließlich die nicht vorhandene Auflösung, sowohl für das Genre als auch für Lem. Dabei hält sich das Buch ansonsten getreu an die Vorbilder, beschreibt spannend die Besichtigung eines Tatortes und den Verlauf der Ermittlungen. Doch dann sind da eben auch die fantastischen Elemente wie die Vermieter von Gregory und natürlich den umherlaufenden Leichen, die weder erklärt werden noch als Schwindel auffliegen. So bleibt nur ein erneutes Scheitern eines Helden in Angesicht eines für ihn unverständlichen Problemes zu konstatieren; ein von Lem vertrautes Element, das jedoch im Spiel mit dem Genre den Leser unzufrieden zurücklässt.